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ERLEBT von Wallenstein, Sebastiaan

ERLEBT

von Sebastian Wallenstein

Erscheint:  10. Oktober  2024

Sprachen ‏ : ‎ Englisch, Deutsch

Broschiert ‏ : ‎ 458 Seiten

ISBN-10 ‏ : ‎ 3000748660

ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3000748660

 

A factional guidebook for seekers/

Der domestizierte Mensch.

 

Hörprobe Autorenlesung aus ERLEBT

© caocoa 2024. Alle Rechte vorbehalten.

 

 

Wie darf man sich heute das Fernsehen der DDR als Arbeitgeber damals vorstellen, bzw. welche Unterschiede gab es zu einer Redaktion eines Senders heute?

Die Rolle als Arbeitgeber hat sich in den Jahren, in denen ich dabei war, also von 1961 bis 1989 gewandelt. War zunächst nur Loyalität gegenüber den Aufgaben und Inhalten gefordert, wandelte sich das dann Ende der 1960er Jahre in erwünschte Linientreue, was aber reines Wunschdenken war. Wenn auch nicht in dieser verschärften Form, so gilt doch auch heute:"Wes Brot ich esse, des Lied ich singe."

Wie kamst Du zum "Massenmedium Fernsehen", zur AK?

Ich kam über den Hörfunk zum Fernsehen. Als freier Mitarbeiter habe ich zunächst 1958 Jugendfernsehen gemacht, dann Sportsendungen moderiert und bin schließlich 1961 bei der "Aktuellen Kamera" gelandet, wo ich 1963 einen festen Vertrag erhielt.

Als die Wende kam, da herrschte beim Fernsehfunk eine gewisse

Aufbruchsstimmung. Wie hast du diese Zeit in Erinnerung?

Ich kenne diese Zeit der gewandelten Berichterstattung, als die Mehrzahl der Mitarbeiter eine Informationssendung machen konnten, wie sie es sich schon immer gewünscht hatten, das galt von der Chefredaktion bis zum Redakteur und den Sprechern, nur aus der Ferne. Ich kam im September ' 89 ins Krankenhaus und habe zum Jahresende das Fernsehen verlassen.

Wie hast Du den 4.11.1989 in Erinnerung (Alexanderplatz Demonstration)?

Auch hier bleiben nur Fernseherinnerungen. Ich kann nicht sagen, auf welchem Sender ich die ersten Bilder davon gesehen habe. Aber es war sehr beeindruckend, wie die Menschen ihre lange verborgene Meinung durch ihre Teilnahme an Demonstrationen und Kundgebungen zum Ausdruck brachten. Auch mit dem Für und Wider bei einzelnen Rednern.

Lieber Klaus Feldmann, wieso gab es für die Wendeverlierer keine öffentliche Solidarität zwischen den Mitarbeitern des Fernsehfunks von damals?

Diese von dir angesprochene Solidarität fehlte nur unmittelbar nach

der Wende. Man glaubte, die alten Mitarbeiter könnten keine

Informationssendung machen, wie sie die Zuschauer nunmehr, oder besser gesagt, eigentlich schon immer sehen wollten. Als man aber merkte, dass die "AK" diese Ansprüche durchaus erfüllen konnte, wurde sie abgewickelt. 

Wir haben dann analoge Beispiele bei Künstlern erlebt.

Die Zuschauer wollten plötzlich nur noch Westkünstler sehen und hören, ständig, nicht nur mal kurz in "Ein Kessel Buntes". Bei Lebensmitteln war es ähnlich. Das war sicherlich bei Schokolade oder Kaffee auch verständlich. Aber bei Salz, Zucker oder Milch? Es gibt ihn längst wieder und auch verstärkt, den Griff nach den Ostprodukten. Und ich merke es selbst bei meinen Auftritten, dass die Zuschauer von einst und auch die Jüngeren, von Fall zu Fall einen von den "Alten" gan gern sehen.

Hast du noch Kontakt zu Medienschaffenden von damals?

Ja, mit einigen treffe ich mich weiter privat, mit anderen arbeite ich

gelegentlich zusammen, wie gegenwärtig mit meinem ehemaligen

Chefsprecher Hans-Dieter Lange.

Für viele Medienschaffenden von damals gab es nach der Wende, insofern Sie nicht eine neue Heimat gefunden hatten eine schwere Zeit. Neben Stasi-Keule gab es auch ein Haifischbecken, in der jeder versuchte neu unterzukommen.

Gab es Versuche sich solidarisch zusammenzuschließen als ehemalige

Medienschaffende des DFF?

Es gab 1994 mit der Gründung des "Paul-Nipkow-Teleklubs e.V. einen

solchen Zusammenschluss. Aber nicht als Protestsammelbecken sondern als ein Verein zur Bewahrung von 39 Jahren Fernseharbeit.

Vorsitzender war von Anfang an Lutz Jahoda.

Wie hast du die Abschaltung des DFF erlebt?

Wie gesagt, ich war seit 1. Januar 1990 nicht mehr Mitarbeiter des

Fernsehens. Trotzdem war das natürlich ein schmerzliches Erlebnis, via Bildschirm den letzten Knopfdruck mit ansehen zu müssen.

Übertrieben gesagt: Das Fernsehen der DDR und FF dabei sind heute MDR & RBB und FF dabei heisst heute Super Illu. Das stimmt natürlich so nicht, aber inhaltlich gibt es direkte Nachfolgeformate. Wie schätz du deren Wirkung auf die Bürger der DDR heute ein?

Nun, die genannten Sender haben sich, wie alle anderen dritten

Programme der ARD, zu ausgesprochenen Heimatsendern entwickelt. Der MDR nach meinem Empfinden mehr als RBB. Und wenn ich an anderer Stelle sagte, dass die Zuschauer von Zeit zu Zeit einen von den "Alten" gern sehen, dann können sie das beim MDR oder auf der Printseite bei Super Illu oder Super TV. Die zahlreichen Wiederholungen von Produktionen des DFF oder DDR Fernsehens zeugen ja auch davon, dass in Adlershof

Qualität produziert wurde, die heute noch bestehen kann und nicht nur Fernsehnostalgie befriedigt.

Technisch wäre es sicherlich möglich, politisch sieht es unmöglich aus

das Fernsehen der DDR z B als Digitalkanal aufleben zu lassen. Wie

erklärst du dir den Umstand dass aber viele Sendungen, Formate des DFF nie wieder nach der Wende wiederholt/ausgestrahlt wurden?

Ich will ja gar nicht die Floskel von der Siegermentalität ins Spiel

bringen. Aber, die Geschichte beweist, die Deutschen können nicht

vereinigen, sie können nur siegen. Und bei einem Sieger gibt es immer

auch einen Verlierer. Selbst wenn ich diese Tatsache einmal

ausklammere, dann bleibt immer noch die Tatsache, dass alles, nach

1990 Übernommene, schon einmal da war. Und da kam einfach die Realität ins Spiel, wer hat die besseren Beziehungen, die einflussreichere Lobby. Mit ein paar Korrekturen hätten Sendungen wie "Alles singt","Ein Kessel Buntes" oder "Mach mit, machs nach, machs besser" durchaus weiter Zuspruch gefunden. Aber, die Strukturen, die hätten genutzt werden können, waren ja mit der Abwicklung des Fernsehens und damit

auch erfahrener Mitarbeiter zerstört worden.

Sendungen wie Elf99 oder Zur Person mit Günter Gaus sind heute für

viele Menschen Inbegriff fortschrittlichen Programminhalts, was

vermisst du persönlich am heutigen Programmangebot im Vergleich zum DFF?

Wenn Sendungen wie die von Günter Gaus im Gedächtnis der Menschen überleben, lange nachdem ihre Schöpfer nicht mehr auf dem Bildschirm erscheinen, dann ist es wohl einfach dem jeweiligen Protagonisten zu verdanken. 

Und es hat selten Erfolg gehabt, einen Nachfolger für diese

Sendungen zu finden. Elf99 hat sich seinen Heiligenschein dadurch

verdient, dass die Sendung anders war als man es aus Adlershof gewöhnt war. 

Allerdings darf dabei nicht vergessen werden, dass vieles was

gesagt wurde auch von der Obrigkeit so gewollt war. Da ist sicherlich

manchmal auch vieles durchgegangen, was den einen oder anderen

Verantwortlichen zusammenzucken ließ. Aber Elf99 war ja eigens als

Jugendsendung von der Partei installiert worden, um zu beweisen, wie offen man mit Problemen in der DDR umgeht. Da kam z.B. bei uns in der "AK" sofort auch der Einspruch, warum die das so und so sagen dürfen, wir aber nicht. 

Das ganze war also nicht ohne Widersprüche.

Unbestritten bleibt aber das Verdienst der jungen Mitarbeiter von

Elf99, in der Wendezeit Vorreiter kritischer Berichterstattung gewesen

zu sein.

Beide Formate, sowohl "Zur Person" als auch "Elf99", um bei diesen

Beispielen zu bleiben, gibt es heute in etwas abgewandelter,

vielleicht auch modernisierter Form auch, zumindest von den Inhalten, so das ich da nichts vermisse. Vermissen tue ich sehr oft die Qualität und Kompetenz , die die damaligen "Macher" hatten.

Wie hast Du die Konferenzen, Besprechungen in der Aktuellen Kamera und auch im Kollektiv des Fernsehens erlebt. Gab es eine spürbare Trennung zwischen Post (Fernsehtechnik) und Redaktion?

Die Trennung gab es natürlich. Es waren ja zwei verschiedene Betriebe.

Einend war zwischen beiden das zu sendende oder herzustellende

Produkt. Es musste von beiden Seiten in guter Qualität über den Sender gebracht werden, unabhängig von den Inhalten. Und das ist in den meisten Fällen auch gelungen, weil eben Betriebsgrenzen aufgehoben wurden bzw. sie im Kopf der an dem Produkt arbeitenden Kollegen nicht vorhanden waren.

Was hat für dich die Faszination Fernsehen als Medienschaffender

ausgemacht?

Die technische Seite des Fernsehens, deren Entwicklung ich ja so

ziemlich von den Anfängen erleben konnte, fasziniert mich immer noch, wahrscheinlich, weil ich davon keinen blassen Schimmer habe. 

Und da ich ja auch selbst einmal die Fernsehkinderschuhe an hatte, nach und nach aus ihnen herauswuchs, konnte ich verfolgen, wie eigene Vorschläge zur Verbesserung der Sendung oder des Produktionsablaufes angenommen und umgesetzt wurden. Das hatte noch etwas vom Pioniergeist der ersten Stunden und bindet einen auch an das Medium.

Nun war das Fernsehen in den Anfangsjahren noch ein überschaubarer

Kollegenkreis, es spielte sich fast alles in Adlershof ab, es gab

wenig Aufzeichnungen, fast nur Live-Sendungen, man traf Schauspieler

und andere Künstler oder Sportler und kam mit ihnen ins Gespräch,

tauschte Meinungen aus, holte sich Lob oder Kritik ab. Wir waren eine

Fernsehfamilie.

Das Fernsehen der DDR hat auf technisch hohem und teurem Niveau

gearbeitet. Technik kam zum Teil aus dem Westen. WIe hast du den

Studio-Alltag erlebt? Auf technischer Seite...

Noch einmal, bitte berücksichtige den völligen Technik-Laien. Ich

möchte aber klar sagen, dass ich den Weg erleben konnte vom teilweisen

Fluch der Technik, z.B. die Leuchtstärke und damit enorme

Hitzeentwicklung durch die Scheinwerfer, bis hin zum Segen der

Technik, die durch ihre Weiterentwicklung Live-Sendungen und

Aufzeichnungen wesentlich erleichterte.

Wie hättest du dir die Abwicklung des DFF gewünscht, bzw: dessen

Umwandlung in ein "einheitsfähiges" System Fernsehen?

Ich kann das jetzt gar nicht so im Einzelnen sagen, da ich ja das

Prozedere in den Einzelheiten und nach den vorgegebenen Richtlinien

nicht kenne. Doch ich glaube sagen zu können, dass, wie vieles im

Einigungsprozess, und das erweist sich heute leider manchmal als

hinderlich bei der inneren Einigung, so manches mit heißer Nadel

genäht wurde und die Nähte heute nicht mehr halten.

Hast Du mit Regionalstudios des Fernsehens der DDR gearbeitet oder

immer nur für Adlershof direkt?

Mein Arbeitsplatz war stets Adlershof.

Hast Du während deiner Arbeit für den Fernsehfunk Zensur erlebt, wenn ja kannst Du Beispiele nennen?

Die Zensur konnte man täglich erleben, abgesehen von der so genannten Selbstzensur, die man sich auferlegte, weil man wusste, nur bis hier oder hierher darfst du, ohne Ärger zu machen gehen.Die schlimmste Zensur die es gab waren die so genannten Wortlautmeldungen bei den Nachrichten, die direkt aus dem Politbüro kamen und an denen nichts geändert werden durfte. Diese Meldungen nahmen in den 1980er Jahren immer mehr zu und töteten jeden kreativen Journalismus, der trotz aller Einschränkungen noch möglich war.

Was empfindest du beim Gedanken daran, dass sämtliche Materialien des DFF heute beim DRA in Potsdam liegen und der breiten Masse nur häppchenweise serviert werden? Würdest Du dir den Status "gemeinfrei" für das Rahmenprogramm und die Nachrichten der AK wünschen?

Nein. Es sollte schon eine Kontrolle vorhanden sein, wer was für

welche Zwecke benutzen möchte. Das DRA hat dabei auch die

außerordentlich schwierige Aufgabe einer Archivierung, die einen

unkomplizierten und schnellen Zugriff ermöglicht.

Was waren deine Lieblingssendungen beim Fernsehfunk?

Ich war kein sehr reger Fernsehkieker. Aber Sportsendungen, "Außenseiter Spitzenreiter", der "Kessel", "Schokolade" gehörten schon zu den Favoriten.

Die Nachrichten der AK galten oft als langweilig und wurden angeblich

nicht von vielen im Osten gesehen. Wie hast DU dich damals informiert?

In Berlin war ich glücklicherweise in der Lage, alle

Informationsmöglichkeiten aus dem Äther nutzen zu können. In der

Redaktion konnte ich auch Einblick in die Printmedien des Westens

nehmen.

Und direkt dazu: wie hast Du die Unterhaltungsformate erlebt?

Zu den Adlershofer Sendungen habe ich ja oben schon etwas gesagt. Wenn es zeitlich möglich war habe ich auch Kulenkampf, Frankenfeld, Peter Alexander und andere derartige Sendungen gesehen,. Natürlich zählen dazu auch Tatort u.ä.

Wo wurden Trailer und das OnAir Design für deine Sendungen gestaltet?

Da muss ich passen. Damit habe ich mich nie beschäftigt. Ich habe zwar davon auch in Dienstbesprechungen gehört, mich aber nicht wesentlich dafür interessiert.

Warst du am Schnitt deiner Produktionen beteiligt? Hast du

Erinnerungen daran?

Nein. Wir Sprecher bei der "AK" waren reine Verleser, die zwar hin und wieder mit den Redakteuren textliche Absprachen getroffen haben, ansonsten aber sich auf ihre Aufgabe konzentriert haben, nämlich das fehlerfreie und sachlich richtige Sprechen der Texte.

Während es im Westen mit Aufklebern und Sendersignet versehene Ü-Wagen gab waren die Barkas des DFF eher dezent gestaltet. Hast du daran Erinnerungen, bzw gab es so etwas wie Merchandising in der DDR zu Fernsehproduktionen? Abgesehen von dem gegenüber der S-Bahn-Station gelegenen Gebäude (auf Strassenseite, Wandgemälde, Lichtbilder)?

Ja, es gab zarte Pflänzchen, die alle unter der Rubrik

Öffentlichkeitsarbeit verzeichnet werden können. Aber auch hier habe

ich keine Detailkenntnisse.

Wie sah ein Produktionsablauf eines EB-Teams zu DDR Zeiten aus?

Da kann ich nur die vorangegangene Antwort wiederholen.

Der Palast der Republik war das Sendelogo des Fernsehens der DDR. Nun wurde er abgerissen. Er war aber auch Sitz des ersten demokratischen Parlaments und Ort des Volkes. Wie stehst du zum Abriss?

Erinnerst du dich noch, was ich über Siegermentalität gesagt habe? Der Asbest kam als Ausrede gerade recht. Es gibt Möglichkeiten, eine

Asbestbelastung auch kostengünstig anders zu beheben. Der Palast

sollte nicht mehr existieren, er war eine zu große Erinnerung an

schöne Tage oder Stunden in der DDR, die es ja nach heutiger

Sprachregelung nicht gegeben haben kann.

Kannst du deinen ersten Besuch und die Umstände beim Fernsehfunk in Adlershof beschreiben?

Nun, ich kann es vergleichen, mit meinem ersten Besuch eines

Rundfunkstudios als ich 12 Jahre alt war. Es war der Eintritt in eine

neue Erlebniswelt. Für mich als Kind zunächst nur eine Welt der

Abwechslung und des Lernens. Als Erwachsener dann eine Welt in der ich arbeiten wollte in einem inzwischen erlernten Beruf, den ich über

alles liebe und der mich bis heute nicht loslässt. Und deshalb möchte

ich meine Zeit beim Fernsehen auch nicht missen und vergessen.

Vielen Dank, für die Antworten.

Interview vom 11.5.2009.

Mehr Zeitzeugen

Lutz Hoff

Moderator

Daniel Hammer

Produktion 

Klaus Feldmann

Aktuelle Kamera

Name: Klaus Feldmann

Aktuelle Kamera

Klaus Feldmann heute ist Publizist & Rentner.

Klaus Feldmann im Internet

•http://www.klausfeldmann.de/